Ein Vater geht neue Wege: Die Kinder als Gewerbebetrieb - Unternehmen Familie
Siegfried Schmidtke aus K÷ln ist ein Mann des geraden Wortes. "Dat is aba sonne Sauerei!" sagt er. Sparpaket! Das Trara um die Erh÷hung des Kindergeldes! Kommt sie, kommt sie nicht. Fragen fⁿr Doofe. Man kann ja Zeitung lesen! Wie der Bundesverteidigungsminister da rumjammert, der Eurofighter sei hochgradig gefΣhrdet, die superschnelle Eingreiftruppe, blank vor dem Feind ohne die tollen neuen Kampfhubschrauber ... Kapiert?
Schmidtkes Lieblingskinder hei▀en nicht Eurofighter oder Kampfhubschrauber, sondern Felix, Mona, Lisa. Fⁿnfdreiviertel, zweidreiviertel, fⁿnf Monate. Diese Truppe macht ebenfalls Sorgen. Siegfried Schmidtke aber lamentiert, anders als Volker Rⁿhe, nicht in Richtung Helmut Kohl; er entschlo▀ sich zu einer Tat, nach der das Unternehmen Familie nie mehr das alte sein wird. Er erbat von der Stadt K÷ln, Bezirksamt Lindenthal, das einseitige Formular "Gewerbe-Anmeldung nach º 14 GewO oder º 55c GewO sowie º 1 GewAnzV".
Handwerk? Handel? wollte K÷ln wissen. Schmidtke machte sein Kreuzchen bei "Sonstiges".
Zweigniederlassung? Automatenaufstellung? Reisegewerbe? fragte K÷ln. Schmidtke kreuzte an: "SelbstΣndiger Betrieb". Bei "Art des Betriebes" tippte er dann: "Private Kinderbetreuung".
Schlie▀lich ist es doch so: Jede Firma bringt, ohne Hubraumdeckelung, die Luxusschlitten fⁿr den Vorstand steuerlich in Abzug! Und die sⁿ▀en Kleinen? Gelten als Hobby! Dabei hat man das Kindergeld selber ⁿber die Steuer finanziert. "Die steuerliche Bevorzugung selbst von Karnickel- und Schweinezⁿchtern gegenⁿber Familien" ist der Humus, auf dem Schmidtkes Plan gereift ist: "Als Gewerbetreibender werde ich jetzt 'Stallungen` (= Kinderzimmer), 'Futter' (= Breichen in GlΣschen), 'Trockenstreu` (= Windeln) als Betriebsausgaben absetzen."
Felix, Mona, Lisa: Nie mehr weinen, wenn Papa "Wat seid ihr Ferkel!" ruft.
Die Sache lΣuft. Im Dromarkt lassen sich Schmidtkes heute die Kosten fⁿr die Pampers bescheinigen (72 Stⁿck fⁿr 24,98 Mark, ausgew. ` Mwst. 3,25 Mark/Packung). Die Familie kriegt neuerdings auch viel Post. Zum Beispiel von der Berufsgenossenschaft, Abt. Gesundheitliche Berufe. Ob die familiΣre TΣtigkeit im Bereich der Fu▀pflege, Tierpflege oder PΣdagogik liege. Au▀erdem sind Schmidtke und seine Frau endlich rund um die Uhr unfallversichert. "Gar nicht ⁿbel" , knurrt er, "der Haushalt, wo die meisten UnfΣlle passieren, war sonst ja ausgeklammert."
Ein Schreiben kam auch von der Industrie- und Handelskammer. Da sind Schmidtkes nun Zwangsmitglieder, Mindestbeitrag 100 Mark. Dafⁿr kommt einmal im Monat ein Wirtschaftsmagazin ins Haus mit so interessanten AufsΣtzen wie: "Welche F÷rderungsangebote Sie prⁿfen sollten: Mit Finanzierungsbausteinen der Ausgleichsbank des Bundes k÷nnen Sie gro▀e Sprⁿnge machen." Wenn man da nicht rote Ohren kriegt!
Natⁿrlich das Finanzamt. Wie viele BeschΣftigte, ob Schmidtkes fⁿr die Mehrwertsteuer optieren, auf welche Weise sie die abfⁿhren m÷chten (vierteljΣhrliche Zahlung? HalbjΣhrlich?). Letzte Frage: zu erwartender Gewinn?
Gewinn. ─h, ja, sagt Schmidtke. Sein Gewerbe habe durchaus eine Gewinnerzielungsabsicht: "Wenn unsere Kinder in zwanzig Jahren Steuer- und Rentenbeitragszahler sind ...!" Mit Bauchweh sieht er allein der ersten UmsatzsteuererklΣrung entgegen: "Da Kinderaufzucht von niemandem honoriert wird, mⁿ▀te es einen steuerlichen Rⁿcklauf geben", sinniert er. Da werde das Finanzamt sich doch drⁿcken wollen!
Andererseits, die Magnetschwebebahn: "Der Thyssen kann dat auch drei▀ig Jahre abschreiben, ohne dat dat Finanzamt sacht, dat is'n Hobby." Punkt fⁿr Papi.
Susanne Meyer
Quelle: DIE ZEIT, Nr. 19/96 vom 12. Juli 1996, Seite 53